Die Sonne scheint, als wir zu unserer kleinen Wanderung entlang dem Icefjord aufbrechen. Gutes Licht präsentiert uns das weite Eisfeld mit gigantischen Eisbergen. Diese Kulisse gibt es nur hier, in Ilulissat an der Discobucht im mittleren Westen Grönlands. Ich war mehr als ein Dutzend Mal an diesem mystischen Ort und bin wieder einmal überwältigt von dieser prachtvollen Naturerscheinung. Es gibt viele Orte, an denen wir Menschen uns klein fühlen gegenüber großen Naturphänomenen. Hier aber ist dieses Gefühl besonders intensiv.
Der 40 Kilometer lange und sieben Kilometer breite Fjord wird stetig mit Eis versorgt vom Gletscher Sermeq Kujalleq. Er kalbt im Rekordtempo bis zu 40 Metern pro Tag und ist damit einer der „schnellsten“ Gletscher der Erde und der aktivste der nördlichen Halbkugel. Das abbrechende Eis ist bis zu einem Jahr unterwegs bis es die Meeresmündung erreicht. Dort stauen sich die Eismassen erst einmal, weil die größten Brocken mit ihrer gewaltigen Unterwasser-Ausdehnung an einer Untiefe stranden. Perfekt inszeniert möchte man meinen,- vor allem für Fotografen wie uns, die damit einmalige Motive gezeigt bekommen.
Sichtbarer Klimawechsel
Der Eis speiende Gletscher ist auch ein Indikator für den Klimawandel. Seit der Jahrtausendwende hat er sich nicht weniger als zehn Kilometer zurückgezogen bei gleichzeitiger erhöhter Fließgeschwindigkeit. Der Gletscher schiebt heute an einem Tag so viel gefrorenes Süßwasser in den Fjord wie New York in einem ganzen Jahr verbraucht.
Und es mag auch am Klimawandel liegen, dass urplötzlich kleine weiße Kügelchen auf uns herunterprasseln. Im Nu haben sie einen dünnen weißen Teppich über die nackten Felsen und den grün-braunen Boden gelegt. Und dann fängt es an zu schneien. Erst zarte, dünne Flocken, dann immer größere Kristalle. Wir schauen uns erstaunt an: Was ist denn hier los? Einheimische erzählen uns später, dass sie dies noch nie erlebt haben: Schnee im Juli.
Der Schnee wird so dicht, dass wir unsere Wanderung erst einmal abbrechen, uns im Café Inuit erst einmal aufpeppen und dann zur Bildbearbeitung in´s Hotel zurückkehren. Es ist ohnehin eine logistische Herausforderung, bei der Vielzahl unserer Aktivitäten zu Wasser, in der Luft und am Boden noch Zeit zu finden, unsere Bilder zu sortieren und zu bearbeiten. Aber wird sind ja flexibel…
Ruhe wird zur Stille
Am nächsten Tag setzen wir unsere Wanderung bei prachtvollem Wetter fort. So mögen wir Nordländer das: Um die zehn Grad, Sonnenschein und Luft aus Seide… . Jetzt sind wir im Mündungsgebiet unterwegs und haben einen Blick auf die Region, die wir zwei Tage zuvor um Mitternacht bei zauberhaftem Licht mit einem Boot erkundet hatten. Jetzt vom Ufer oder zuvor von der Wasseroberfläche aus kann man sich nicht satt sehen an dieser Pracht. Das reine Weiß der Eisgiganten, die Ruhe, die man hier Stille nennen kann, und das Spiel der Wolken sorgen für eine Gefühlsmischung von jubelnder innerer Freude bis entspannter Gelassenheit.
Der Gletscher Eqi liegt über zwei Bootstunden entfernt von Ilulissat. Wir fahren zwischen kleinen Eisbrocken und riesigen Eisbergen, die sich bereits aus dem Fjord befreit haben und nun behäbig hinaustreiben in die Weiten des Atantiks. Kein Eisgebilde gleicht dem anderen. In ihren Formen erkennen wir Tiere, Trolle, Bergformationen der Alpen und riesige Gebäude. Ein Koloss sieht aus der Entfernung einem Kreuzfahrtschiff zum verwechseln ähnlich.
Bunte Häuser vor Eisriesen
Auch der Eqi hat sich in den vergangenen 20 Jahren weit zurück gezogen und hinterlässt am Ufer sein altes Gletscherbett in einem hellgrauen Muränen-Abdruck. Vor der mächtigen eisigen Steilküste treibt ein weites Feld eines Eisbreis, der in der Sonne mit markanten Knackgeräuschen seine Luftbläschen entlässt.
Auf dem Rückweg legen wir auf halber Strecke in Rodebay an, der Roten Bucht, die ihren Namen aus der Zeit des Walfangs hat, in dem das Wasser oft rot vor Blut war. Die bunten Häuser vor skurrilen Eisbergen laden ein zur fotografischen Gestaltung. Die Motive purzeln uns vor die Füße. Dieser Ort lässt jedes Fotografenherz jubeln. Für den Magen gibt es dann in einem gemütlichem Restaurant leckeren Fisch und saftiges Meeeresgetier. Frischer geht´s nicht…
Bei einem Flug mit einem kleinen Flugzeug öffnet sich ein neuer Blick auf die Region um Ilulissat mit dem dem Icefjord, einem kleinen „schlafenden Bruder“ in der Nachbarbucht, der seit Jahren in einen eisigen Schlafe gefallen ist, und die weite Discobucht. Auf einigen großflächigen Eisbergen zeigen sich türkisfarbene Seen aus Schmelzwasser. Die gleiche Farbe strahlt auch aus den Weiten der Gletscher, die in ihren prägnanten Flächen aus der Hand eines Grafikers zu stammen scheinen.
Leckeres von der Lehrerin
Ein weiterer Besuch per Boot des Dörfchens Ilimanaq jenseits des Fjordes zeigt uns, dass man auch hier neben der Fischerei mehr und mehr auf den Tourismus setzt. 15 kleinen Nurdach-Häuser sind gerade fertig gebaut worden und laden ein zum besinnlichen Aufenthalt direkt am Wasser. Alte Holzhäuser wurden renoviert, andere befinden sich gerade in der Phase der Regeneration.
Bei der Dorflehrerin bekommen wir schmackhafte Hausmannskost: Heilbutt, Dorsch, Krabben, Fisch- und Walsuppe und einen Schokoladenkuchen, der einem schon beim Betrachten den Mund wässrig macht. Die kleinen brauen „Berge“ bilden einen süßen Miniatur-Kontrast zu den großen weißen Bergen draußen im Fjord, die man nie wieder vergessen wird, wenn man einmal im Leben das Glück hatte, ihnen zu begegnen.
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