Jeder Fotograf, besonders aber der ambitionierte Reisefotograf, steht vor einer besonderen Herausforderung, die bereits Karl Valentin vor langer Zeit treffend beschrieben hat: „Es ist alles schon einmal fotografiert worden, aber noch nicht von jedem!“ Der Satz sollte in Zeiten der Selfi-Sticks und der Smartphone-Fotografie der fotografische Ausgangspunkt dieser Hamburg-Reise sein, die Teilnehmer ermuntern, Lösungen für diese Herausforderung zu suchen und dadurch eine andere Sicht als üblich auf diese tolle Stadt zu finden.
Natürlich gehören Speicherstadt, Hafen-City, Hafenkante und aktuell vor allem die Elbphilharmonie in das Programm eines jeden Reisefotografen. Deshalb widmen wir uns am Abend der Ankunft und am zweiten Tag diesen unverwechselbaren Hamburgischen Motiven, achten dabei aber immer auf außergewöhnlichen Perspektiven. Es lohnt, sich nicht ausschließlich direkt auf die üblichen „Sehenswürdigkeiten“ zu konzentrieren, sondern deren Umfeld in den Bildaufbau einzubeziehen. Auf einer Hafenrundfahrt ergeben sich wiederum andere Perspektiven auf Gebäude und Schiffe, die man bereits von Land aus erkundet hat. Mit zusätzlichen Aufnahmen von Details kann man eine Gesamtansicht zum Beispiel in einem Fotobuch oder einer Dia-Schau wunderbar ergänzen.
Am nächsten Tag steht der Strand von Wittenbergen mit seinem alten Leuchtturm auf unserem Programm. Er gilt als einer schönsten Elbabschnitte Hamburgs. Besonders reizvoll ist dieser Ort am frühen Morgen, wenn die aufgehende Sonne für ein stetig wechselndes Farbspiel sorgt: zarte Pastelltöne, die mit dem Sonnenstand allmählich in kräftige Farben übergehen. Wenn dann noch eines der riesigen Containerschiffe den Hafen anläuft, ist das Fotografenglück perfekt. Etwas umständlich zu erreichen, ist Wittenbergen um diese Tageszeit absolut „touristenfrei“. Schon deshalb lohnt sich der lange Weg. Nach einem ausgiebigen Frühstück, das diesen ersten Teil des Tages abrundet, besuchen wird das Treppenviertel von Blankenese. Es bietet unzählige Perspektiven und entsprechend vielfältige Motive. Immer wieder ergeben sich schöne Ausblicke auf den Fluss und auf das gegenüberliegende Elbufer. Hier gilt es, durch die Wahl von Standort, Perspektive und Brennweite überflüssiges wegzulassen und Ordnung ins Bild zu bringen.
Die fotografische Ausbeute nach nur zwei Tagen ist beachtlich: Nach einer kurzen Siesta nutzen wir den frühen Nachmittag zur Bildbearbeitung. Die Entscheidung, welches Bild in der Abschlusspräsentation gezeigt werden soll, fällt manchem Teilnehmer schwer, ein Zeichen für die hohe Qualität der bisherigen Ergebnisse. Am späten Nachmittag bleibt noch Zeit für einen Besuch in Ohlsdorf, dem größten Parkfriedhof der Welt und eine wahre Oase inmitten der hektischen Großstadt. Nach dem Abendessen geht es an die nahe Außenalster, die uns einen traumhaften Sonnenuntergang beschert.
Sonnabend, am letzten vollen Tag unserer Reise, erwartet uns eine ganz besondere maritime „Stadtlandschaft“: Ein Abstellplatz für leere Überseecontainer. Ziemlich profan, sollte man meinen. Aber die Vielfalt an Formen, Farben und Linien in den bis zu 15 Meter hohen „Straßenschluchten“ ist etwas ganz besonderes und mit Sicherheit nicht von jedem schon einmal fotografiert worden, weil ziemlich versteckt gelegen. Leider setzt nach viel zu kurzer Zeit Regen ein. Wir brechen ab und setzen unsere fotografischen Bemühungen im Innenbereich des nahen Hafenmuseums fort.
Ach ja, das Wetter auf dieser Reise hatte ich fast vergessen. Es war gemischt, von jedem etwas. Aber wirklich „schlecht“, weil langweilig, ist für den Fotografen nur eine Wetterlage: Eine geschlossene, strukturlose Wolkendecke, Windstille und Nieselregen. So, wie an diesem Sonnabendnachmittag. Alle anderen Wetterlagen wie zum Beispiel Nebel, Schnee, Sturm und Starkregen hingegen versetzen uns in die Lage, ungewöhnliche Fotos zu machen. Die Gedanken schweifen zurück: Am ersten Abend mit dem Sonnenuntergang zog ein Unwetter über die Stadt, das einige ungewöhnliche Fotos mit besonderer Lichtstimmung ermöglichte.
Zurück zum Sonnabendnachmittag: Wie macht man Fotos, die nicht jeder macht, im Innenbereich eines Museums? Hier inspirierte uns Renate, direkt vom Workshop „Impressionistische Fotografie“ nach Hamburg durchgestartet, mit ihren gerade erworbenen Kenntnissen. Auch so soll eine erfolgreiche Fotoreise sein: Die Teilnehmer tauschen Ideen aus und lernen voneinander. So konnten nach der abschließenden Bildbesprechung alle mit einer interessanten Ausbeute zufrieden den Heimweg antreten.
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