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Sonntag, 05 April 2015 20:00

5.4.2015 - Andalusien - Semana Santa

Geschrieben von 
Aus Deutschland kommen Nachrichten über ein Wetter zum Fürchten: Sturm, Orkan, Regen, teils sogar Schnee, entwurzelte Bäume, „enthauptete“ Dächer und sogar Verletzte und Todesopfer. Und wir hier im Süden Spaniens kämpfen mit der Wärme, die ein Nordmensch wie ich gar als lastvolle Hitze empfindet.

Wir haben Andalusien in den vergangenen Jahren auch schon anders erlebt: kühl und regnerisch. Und darauf sind wir immer vorbereitet, wenn wir in das regenreichste Gebiet Spaniens fahren in der Osterzeit. Denn der Naturpark Grazalema ist von traumhafter landschaftlicher Schönheit und mit artenreicher Tierwelt bedacht. Aber auch bekannt für untypische, kurzfristige Wettereinbrüche mit einem bizarren Mikroklima.

In diesem Jahr aber scheint die Sonne mit voller Kraft, was mit einem für Fotografen eher langweiligen, tiefblauen Himmel „bezahlt“ werden muss. Da jedoch nicht die Landschafts-Fotografie im Mittelpunkt steht, sondern die Reportage- und Street-Fotografie, tangiert uns die blaue Herrlichkeit nur am Rande. Und im Kontrast zu den Weißen Dörfern und ihrer ausgeprägten Struktur tut das Blau dann sogar wieder seine Dienst.

Kaum sind wir angekommen in unserem schönen Hotel am Hang gegenüber dem von der Zeit zurück gelassenen Dorf, bekommen wir schon die Nachricht: Die erste Prozession in der Semana Santa in Grazalema ist schon am nächsten Mittag.- Und wir sind natürlich dabei.

Es ist ein kleiner, spielerischer Umzug, der im krassen Gegensatz steht zu den pompösen Prozessionen in Sevilla, in die wir uns auch noch stürzen werden. Es sind viele Kinder dabei und Alte. Es hat eine beschwingte Fröhlichkeit bei allem religiösem Ernst, der diese Woche vor Ostern prägt. Dem Zug hat sich eine Gruppe Pfadfinder aus Madrid angeschlossen, die auf halbem Wege das Paso schultern dürfen, das Tragegestell, auf dem Statuen von Jesus und Maria bergauf, bergab durch die engen Straßen und Gassen geschleppt wird.

Die fotografischen Anfänger in unserer Gruppe werden schon am Start voll gefordert. Oh je, Belichtung messen, die richtige Blende und Zeit einstellen, einen guten Standort und günstigen Blickwinkel „erobern“ in dem Gewirr. Und dann soll auch noch die Schärfe stimmen und nicht nur Hinterköpfe auf den Bildern erscheinen. Das ist wirklich kaltes Wasser, in das man da geworfen wird. Und so manchem wird klar, wie schwer es Reportage-Fotografen haben, gutes Material zu liefern sollen.

Aber der Reihe nach: Erst einmal üben wir am nächsten Vormittag in Ruhe und ohne Druck das kleine Ein-Mal-Eins der Reportage. Und beschäftigen uns auch mit der Bildbearbeitung, mit der kaum einer bisher Berührung hatte. Das ganze soll natürlich auch in ein entspanntes und erbauliches Urlaubsgefühl „verpackt“ werden.

Ich verspreche Genuss und Freude an der Fotografie,- trotz allem. Und werde ein wenig skeptische angeschaut…

Doch schon nach weiteren zwei Tagen heischt ein wenig Begeisterung über die Gesichter. Die Bildbearbeitung erhält ihre verdiente Anerkennung und verliert gleichermaßen ihre Ausstrahlung des „Suchenden im dunkeln Walde".

„Mein Gott, was kann man damit alles machen“, ist einer der Ausrufe, der so treffsicher in diese heilige Woche passt. Und alle beginnen zu erkennen, dass die Bildbearbeitung in der digitalen Fotografie die eigentliche Revolution in der Lichtbildnerei ist. Sie ist nach der Motivsuche und Bildkomposition schlicht eine weitere kreative Ebene der Fotografie.

Nach Besuchen in Ronda, dem Durchstreifen Weißer Dörfer und traumhaft schöner Landschaften befällt die Teilnehmer der Reise schon eine gewisse Leichtigkeit, die der Verzagheit des Beginn den Raum nimmt. Da stellt man dann schon einmal fest, dass tatsächlich drei oder vier Stunden am Laptop bei der Bildbearbeitung vergangen sind, obwohl man sich doch erst gerade an`s Werk gemacht hatte.

Die „Faszination Fotografie“ hat wieder einmal gesiegt. Willkommen im Club !

Die Aufnahmen der folgenden Tage zeigen, welche Wirkung die Bearbeitung der Aufnahmen hat. Durch Hinweise und Ratschläge des Referenten und den Abgleich mit den Aufnahmen der Anderen kommt immer mehr Klarheit und Ausdruckskraft in die Bilder. Und damit wächst natürlich auch die Urlaubsfreude  und die Lust darauf, beim nächsten Mal noch genauer hin zu schauen…

Die Feuertaufe gibt es am vorletzten Tag in Sevilla. Die Dreiviertel Million Menschen, die in der Stadt ohnehin leben scheinen sich in den Tagen vor Ostern verdoppelt zu haben.

Es laufen mehrere Prozessionen gleichzeitig, die alle in die Hauptkathedrale einziehen, um dann zu ihrem Ausgangsort zurück zu kehren. Jeder dieser Züge schiebt sich Stunde um Stunde durch die Straßen und von Menschenmassen gesäumte Plätze. Wer an Platznot leidet, sollte sich hier ein wenig fern halten…

Die Frauen mit prächtigen schwarze Spitzen geschmückt, die Männer galant in dunkel Stoff. Laute Fanfaren und  Trommeln und Paukenschläge, die die Luft erbeben lassen. Dieses Schauspiel flößt Erfurcht ein und fasziniert gleichermaßen. Die verborgenen Gesichter unter langen, spitzen Hauben und die in weiten, bodenlangen Gewänder bedeckten Körper zeugen von Buße und Leid dieser Tage in der Semana Santa, der Heiligen Woche.

Am Ende der Woche sind die Teilnehmer über sich und ihre Bilder ein wenig selbst erstaunt. Das hatten sie nicht erwartet nach diesem furiosen Beginn der Reise. Alle sind sich einig: Wo wir jetzt stehen, machen wir weiter. Bei einigen ist ein wenig technische Aufrüstung angesagt, weil Kamera und Zubehör doch schon das digitale Rentenalter erreicht haben.

Anmerkung: Was natürlich nur für Kameras gilt. Denn Fotografen im Rentenalter werden durch die Entdeckung der Fotografie doch um einiges jünger…:)


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